Lobbyierende Kantone? Subnationale Interessenvertretung in der Schweiz
Das Dissertationsvorhaben von Rahel Freiburghaus beschäftigt sich mit der Einflussnahme der Kantonsregierungen auf den bundespolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess. Dass die Träger des Bundesstaates mit angemessenem Gewicht an landesweit verbindlichen Entscheidungen partizipieren können («shared rule»), ist für den Föderalismus ebenso essenziell wie deren Autonomie, über ihre innere Organisation zu bestimmen, eigene Steuern zu erheben oder Bundesgesetze den örtlichen Verhältnissen angepasst umzusetzen («self-rule»). Sind den Gliedstaaten keine wirkmächtigen Teilhabeinstitute an die Hand gegeben, um die Bundespolitik mitzuprägen, gerät die föderale Machtbalance aus dem Lot.
So betrachtet das Dissertationsvorhaben einerseits formale Einflusskanäle, die in der Bundesverfassung und/oder im Bundesrecht ausdrücklich vorgesehen sind (u. a. Vernehmlassungsverfahren, Standesinitiativen, Kantonsreferendum). Andererseits werden informelle Strategien und Wege kantonaler Interessenvertretung in den Blick gerückt – so etwa Direktkontakt zum Bundesrat, der Bundesverwaltung und/oder den Mitgliedern der Bundesversammlung («face-to-face lobbying»), medienvermittelte Interessenvertretung, «botschaftsähnliche» Vertretungen in der Bundesstadt oder das interkantonale Konferenzgefüge. So liefert das Dissertationsvorhaben erstmals systematisch vergleichende Daten zur kantonsspezifischen Nutzungshäufigkeit und den kantonsspezifischen Einflusschancen, die mit den unterschiedlichen Formen kantonaler Interessenvertretung verbunden sind. In konzeptioneller Hinsicht bedient es sich hierfür derjenigen Begrifflichkeiten, welche die U.S.-amerikanische Föderalismusforschung seit Jahrzehnten voraussetzt: Subnationale Exekutiven werden als genuine Interessengruppen angedacht, die gegenüber dem Bund lobbyieren.
Gestützt auf ihre bisherige Forschung skizzierte Rahel Freiburghaus in der Neuen Zürcher Zeitung vom 23. August 2021 drei Zukunftsperspektiven kantonaler Interessenvertretung im Bund (PDF).