Direkte Demokratie / Abstimmungsforschung

Leitung

Prof. Dr. Adrian Vatter

Die direkte Demokratie im Überblick

Die Forschung zur direkten Demokratie umfasst verschiedene Themengebiete. Welche Institutionen der direkten Demokratie gibt es und wie werden sie in der Praxis genutzt? Wer nimmt an Abstimmungen teil? Welches sind die individuellen und kontextuellen Determinanten der Abstimmungsresultate? Welche Wirkung übt die direkte Demokratie auf das politische System und seine Akteure, auf die Staatstätigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg oder auf die Gesellschaft insgesamt aus? Alle diese Fragen werden – neben anderen – im „Handbuch der Abstimmungsforschung“ von Thomas Milic, Bianca Rousselot und Adrian Vatter (2014) diskutiert.
Milic, Thomas, Bianca Rousselot und Adrian Vatter. 2014. Handbuch der Abstimmungsforschung. Neue Zürcher Zeitung, 2014. http://www.nzz-libro.ch/handbuch-der-abstimmungsforschung.html

Vox-Analysen

Einen langjährigen thematischen Schwerpunkt stellt die Untersuchung der Beweggründe für den Stimmentscheid dar, wie sie mithilfe der Vox-Analysen untersucht worden sind. Dabei untersuchte die Vox-Gemeinschaft zwischen 1987 und 2016 im Nachgang an alle eidgenössischen Volksabstimmungen das Stimmverhalten der Schweizer Bevölkerung mittels einer repräsentativen Befragung von 1500 stimmberechtigten Personen (bis 1987 700 Befragte, bis 2009 1000 Befragte). Die Erhebung erfolgte durch das Forschungsinstitut gfs.bern, analysiert wurden die Vox-Daten im Turnus durch die politikwissenschaftlichen Institute der Universitäten Bern, Zürich und Genf.

Der zentrale Bestandteil der Vox-Umfrage sind die Motive und Argumente der Bürger und Bürgerinnen für ihren Stimmentscheid sowie ihre Kenntnisse der Abstimmungsvorlagen und ihre Einschätzungen bezüglich deren Schwierigkeit und Auswirkungen. Die durch eine standardisierte Befragung erhobenen Informationen betreffen zusätzlich die politischen Meinungen und Verhaltensweisen, die Partei- und Verbandszugehörigkeit, verschiedene Aspekte des Wahlentscheids wie der Zeitpunkt des Urnengangs, die Meinungsbildung und die Einschätzung der Wichtigkeit jeder Vorlage. Zusätzlich werden die wichtigsten soziodemographischen Faktoren erhoben, so dass eine ausführliche Analyse der Beteiligungsmuster vorgenommen werden kann.

Die Auswertung konzentriert sich auf die Aufschlüsselung der Beteiligung nach politischen und soziodemographischen Merkmalen, auf die Einordnung der von den Befragten wahrgenommenen Inhalte sowie der Motive der Stimmenden und ihren Einstellungen zu diversen Kampagnenargumenten. Zusätzlich wird auch die Stimmbeteiligung sowie die Bedeutung von und die Meinungsbildung zu den einzelnen Vorlagen untersucht.
 

Die letzten fünf vom IPW verfassten Vox-Analysen:

Stimmentscheide bei Infrastrukturprojekten

Ein weiteres Forschungsgebiet stellt die Untersuchung des Stimmverhaltens bei Infrastrukturprojekten mit lokal begrenztem Nutzen dar. Abstimmungen zu solchen Projekten bieten die Möglichkeit, die Anwendbarkeit von Rational Choice Theorien, insbesondere des Nimby-Ansatzes, zu überprüfen. Stimmen Personen, die in der Nähe von grossen Infrastrukturprojekten wohnen und entsprechend verglichen mit den weiter weg wohnenden Individuen zusätzliche Kosten und/oder Nutzen aufweisen, anders ab als Letztere? In diesem Rahmen sind zwei publizierte Studien entstanden.

Vatter, Adrian und Anja Heidelberger. 2013. Volksentscheide nach dem NIMBY-Prinzip? Eine Analyse des Abstimmungsverhaltens zu Stuttgart 21, Politische Vierteljahresschrift 54(2): 317-335. http://www.nomos-elibrary.de

Vatter, Adrian und Anja Heidelberger. 2014. Volksentscheide nach dem Sankt-Florians-Prinzip? Das Abstimmungsverhalten zu Stuttgart 21 und großen Infrastrukturprojekten in der Schweiz im Vergleich. Jahrbuch für direkte Demokratie 2013. Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. http://www.nomos-elibrary.de

Religiöser Minderheiten in einer halbdirekten Demokratie

Ein weiteres Forschungsgebiet stellt die Problematik der Minderheitenrechte von religiösen Minderheiten bei direktdemokratischen Verfahren dar. In diesem Rahmen ermittelte das SNF-Forschungsprojekt „Direkte Demokratie und religiöse Minderheiten in der Schweiz: Tyrannei der Mehrheit oder ausgebauter Minoritätenschutz?“  Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für den Schutz religiöser Minderheiten. Es untersucht zudem, ob die direkte Volksbeteiligung eine potentielle Tyrannei der Mehrheit darstellt oder ob religiöse Minderheiten durch die Volksrechte besonders geschützt werden. Im Rahmen dieses SNF-Projektes sind ein Buch und mehrere Artikel entstanden:

Vatter, Adrian (Hrsg.). 2011. Vom Schächt-zum Minarettverbot: religiöse Minderheiten in der direkten Demokratie. Verlag Neue Zürcher Zeitung. http://www.nzz-libro.ch

Vatter, Adrian, Isabelle Stadelmann-Steffen und Deniz Danaci.  2014. „Who supports minority rights in popular votes? Empirical evidence from Switzerland.“ Electoral Studies 36: 1-14. http://www.sciencedirect.com

Vatter, Adrian und Deniz Danaci. 2010. "Mehrheitstyrannei durch Volksentscheide? Zum Spannungsverhältnis zwischen direkter Demokratie und Minderheitenschutz". Politische Vierteljahresschrift 51(2): 205-222. http://link.springer.com